Achtung wichtiger Termin.
Thema: Gemeinsames elterliches Sorgerecht.
Debatte im Deutschen Bundestag
Freitag, 28. Januar 2011 (88. Sitzung)
Zeit: 13.40 – 14.20 Uhr
Sie können es auch Live im Internet verfolgen.
Gemeinsames Sorgerecht für ledige Väter
Vergleichen Sie was daraus gemacht wird. "Wir vom Deutschen Bundestag entscheiden das Kinder und Väter uns völlig egal sind". Aber schauen Sie sich den Videobeitrag an, wie es sein kann.
Schauen Sie sich an was die Politiker am 28.01.2011 im Deutschen Bundestag zu sagen haben.
Plenarprotokoll 17/88
Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
88. Sitzung
Berlin, Freitag, den 28. Januar 2011
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja Dörner, Ingrid Hönlinger, Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Gemeinsames elterliches Sorgerecht für nicht miteinander verheiratete Eltern
- Drucksache 17/3219 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin das Wort der Kollegin Katja Dörner von Bündnis 90/Die Grünen.
Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Justizministerin hat einen Kompromissvorschlag zur Neugestaltung des Sorgerechts bei nicht miteinander verheirateten Eltern vorgelegt. Dieser Kompromissvorschlag kommt ein halbes Jahr nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, mit dem es den diskriminierenden Zustand, dass unverheiratete Väter für das gemeinsame Sorgerecht für ihr Kind zwingend auf die Zustimmung der Mutter angewiesen sind, endlich beendet hat. Dieser Kompromissvorschlag kommt mehr als ein Jahr nach dem entsprechenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Ich muss sagen: Er kommt für viele betroffene Väter und Kinder leider viele Jahre zu spät.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist ein erster Kompromissvorschlag. Dabei hat die Ministerin schon im Sommer angekündigt, zeitnah, direkt nach der Sommerpause, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Wir haben ihn immer noch nicht gesehen. Leider zeigt sich wieder einmal, dass sich die Koalition auch bei so einem Thema auf nichts Vernünftiges einigen kann.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Andrea Astrid Voßhoff [CDU/CSU]: Falsch! Das stimmt doch gar nicht!)
Ich sage hier ganz klar: Wir Grünen finden diesen Kompromissvorschlag der Ministerin vernünftig und gut. - An dieser Stelle könnte die FDP ruhig einmal applaudieren, aber vielleicht können Sie den Vorschlag Ihrer Ministerin ja noch nicht richtig einschätzen.
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Stephan Thomae [FDP]: Ich wollte Sie nicht unterbrechen!)
Unsere Einschätzung wird Sie nicht verwundern. Schließlich haben wir den Antrag, über den wir heute hier beraten, schon im Herbst vorgelegt, der in den Eckpunkten dem Vorschlag der Ministerin weitgehend entspricht.
In unserem Modell steht das Kindeswohl ganz klar im Mittelpunkt. Aus der Perspektive des Kindes gibt es keinen Grund, verheiratete und unverheiratete Eltern beim Sorgerecht grundsätzlich unterschiedlich zu behandeln. Den Kindern ist der Trauschein ihrer Eltern im Allgemeinen herzlich egal. Wir gehen davon aus, dass das gemeinsame Sorgerecht dem Kindeswohl in der Regel am meisten entspricht. Deshalb wollen wir einen einfachen und niedrigschwelligen Weg zum gemeinsamen Sorgerecht auch für unverheiratete Eltern. Ich möchte diesen Weg ganz kurz skizzieren. Die Väter sollen nach unserem Modell ab der Vaterschaftsanerkennung einen Antrag auf gemeinsames Sorgerecht stellen können. Wenn die Mutter diesem Antrag innerhalb einer Frist von acht Wochen - diese Frist zieht auch die Ministerin in Erwägung - nicht widerspricht, wird dem Antrag des Vaters stattgegeben. Wenn die Mutter dem Antrag widerspricht, kann der Vater das gemeinsame Sorgerecht beim Familiengericht beantragen. Diesem Antrag soll stattgegeben werden, wenn das gemeinsame Sorgerecht dem Kindeswohl nicht widerspricht. Die Formulierung "nicht widerspricht" ist aus unserer Sicht besonders wichtig, weil dieser Prüfauftrag signalisiert, dass es das gemeinsame Sorgerecht in der Regel auch bei diesen Elternkonstellationen geben soll. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dieses Modell wird aus unserer Sicht den Kindern gerecht; denn die Kinder haben ein Recht auf beide Eltern. Das sollte auch im Sorgerecht seinen Ausdruck finden. Das Modell wird den Vätern gerecht, die dann auf einem einfachen Weg das Sorgerecht bekommen können. Es wird auch den Müttern gerecht, die Bedenkzeit haben und deren Vorbehalte im Zweifelsfall geprüft werden.
Jetzt ist es an der Union: Beenden Sie endlich Ihre Blockadehaltung. Wir brauchen eine Lösung, von der vor allem die Kinder profitieren. Dass es der Union und vor allem der CSU tatsächlich immer um die beste Lösung für die Kinder geht,
(Caren Marks [SPD]: Das wäre ganz was Neues!)
müssen wir leider bezweifeln. Ich erinnere mich daran, dass unsere Kollegin Dorothee Bär - sie ist leider heute nicht anwesend - im August letzten Jahres anlässlich des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts darauf verwiesen hat, das alles sei ein bisschen bedenklich, schließlich werde die Institution Ehe dadurch geschwächt, sie habe ja dann keine anderen Vorteile mehr als das Ehegattensplitting und das könne doch nicht sein.
Ich finde, das darf in dieser Diskussion nicht im Fokus stehen. Ich wünsche mir für die Debatten zum Sorgerecht, die wir in den nächsten Monaten sicherlich noch häufiger führen werden, dass wir davon wegkommen, uns an der Art des Zusammenlebens oder Nichtzusammenlebens von Eltern zu orientieren, und uns tatsächlich darauf konzentrieren, die beste Lösung für die betroffenen Kinder zu finden.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat die Kollegin Ute Granold von der CDU/ CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ute Granold (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt weder eine Blockadehaltung der CDU/CSU noch haben wir Probleme mit der FDP. Es geht uns darum, in einer so wichtigen Frage eine Lösung zu finden, die den Interessen der Kinder gerecht wird, und zwar nur der Kinder, nicht der Mütter, nicht der Väter.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir sind auf einem guten Weg. Ich gehe davon aus, dass wir in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen können.
Da meine Redezeit heute ausreichend bemessen ist, möchte ich kurz ausführen. Es geht um die gemeinsame elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern. Es geht nicht um die Alleinsorge - sie ist im Gesetz geregelt -, es geht auch nicht um eine partielle Sorge - etwa Aufenthaltsbestimmungsrecht, Vermögens- und Gesundheitssorge -, sondern es geht um das Thema, das ich eingangs genannt habe. Das ist ein sehr sensibler Bereich. Ich wäre sehr dankbar und froh, wenn wir alle sachlich und am Interesse des Kindes orientiert darüber diskutieren könnten.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Bundesverfassungsgericht haben - das wurde bereits erörtert - im Dezember 2009 bzw. im Sommer 2010 entschieden, dass die derzeitige Regelung in Deutschland, wonach die Väter keine Möglichkeit haben, gegen den Willen der Mutter eine Mitsorge zu erhalten, verfassungswidrig ist und eine neue Regelung vom Gesetzgeber geschaffen werden muss. Genau daran arbeiten wir gerade.
Das Bundesjustizministerium hat ein Gutachten über die Situation und die Lebenslage der sogenannten nichtehelichen Eltern und deren Kinder in Deutschland eingeholt. Viele Zahlen sind schon bekannt. Wir haben uns auf diese Situation einzustellen - hier haben wir alle einen Lernprozess vor uns - und entsprechend darauf zu reagieren.
Wir haben 1998 durch die Kindschaftsrechtsreform die Möglichkeit geschaffen, dass eine gemeinsame elterliche Sorge nach einer Scheidung bestehen bleibt; dies ist der Regelfall. Wir haben auch die gemeinsame elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern für den Fall geregelt, dass die Mutter dem zustimmt. Nun wird reklamiert, dass die Mitsorge nur mit Zustimmung der Mutter erfolgen kann.
Laut Gutachten ist die Situation mittlerweile so, dass bei jedem zweiten nichtehelich geborenen Kind eine gemeinsame elterliche Sorge besteht. Bei 50 Prozent dieser Kinder besteht also keine gemeinsame elterliche Sorge. Genau an diesem Punkt müssen wir ansetzen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass immer mehr Kinder nichtehelich geboren werden. Im Durchschnitt sind dies in Deutschland ein Drittel der Kinder; in den neuen Bundesländern sind es sogar mehr als 50 Prozent. Wir müssen beachten, dass die Väter, Gott sei Dank, inzwischen sehr engagiert sind bezüglich ihrer Kinder und der Sorge um die Familie; dies umfasst auch die emotionale Sorge, die Zeit für die Familie und vieles andere mehr.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es kann aber noch besser werden!)
Darauf reagieren wir. Dabei wollen wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, aber auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beachten.
Maßstab ist danach das Kindeswohl. Die gemeinsame elterliche Sorge - da sind wir einer Meinung - entspricht in der Regel dem Kindeswohl. Ein Kind braucht Mutter und Vater zu einer gedeihlichen Entwicklung. Ich denke, da besteht Konsens in diesem Haus. Die Gerichte haben ausdrücklich auch gesagt, dass für die Möglichkeit des Vaters, zu einer gemeinsamen Sorge zu kommen, nicht zu hohe Hürden bestehen dürfen; das muss niedrigschwellig sein. Die Grünen haben übrigens bereits in der letzten Wahlperiode einen Antrag zu diesem Thema gestellt.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Als einzige Fraktion!)
Den haben wir auch debattiert, im Juli 2009. Damals hatten wir noch keine neuen Erhebungen.
Sie präferierten damals im Gegensatz zu heute ein Antragsmodell - heute ist es ein Widerspruchsmodell -, und Sie haben den Antrag an materielle Voraussetzungen geknüpft, beispielsweise Erfüllung der Unterhaltspflicht, Umgang usw. Das ist weit mehr als das, was das Bundesverfassungsgericht gefordert hat. Insofern würde es dem Urteil nicht genügen und wäre heute nicht umsetzbar.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben es weiterentwickelt!)
Sie haben Ihren Antrag nun weiterentwickelt - wenn Sie mir zuhören, werden Sie feststellen, dass ich es weiß; ich habe es gelesen - und Eckpunkte vorgelegt. Allerdings wäre bei den Eckpunkten das eine oder andere nachzufragen, beispielsweise zu den Fristen. Was die Verfahrenshemmung angeht - sechs Wochen vor der Geburt und acht Wochen nach der Geburt -, so wissen wir nicht, wie das zu werten ist; darüber müssten wir noch einmal nachdenken.
Eine weitere Voraussetzung ist - das ist der Punkt, der für uns nicht akzeptabel ist -, dass zusätzlich zu den Fristen, die eingehalten werden müssen, auch noch - kumulativ! - obligatorisch eine Überprüfung des Kindeswohls durch das Jugendamt durchgeführt werden soll, wenn die gemeinsame Sorge durch Schweigen zustande kommt. Das ist für uns nicht hinnehmbar.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht gar nicht in unserem Antrag!)
Die Stellung des Jugendamtes in diesem Verfahren ist uns zu stark. Wir möchten in der Tat eine niedrigschwellige Regelung zugunsten der Väter. Darüber hinaus widerspricht diese Überprüfung des Kindeswohls durch das Jugendamt dem, was uns der Gesetzgeber mit auf den Weg gegeben hat.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - insofern muss ich dem Einwand, Frau Kollegin, dass wir so lange brauchen, widersprechen - besteht schon heute die Möglichkeit, sofort eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Das sollte man der Vollständigkeit halber auch sagen. Ich selbst führe derzeit einige Verfahren für Väter vor Gericht. Diese wollen eine Entscheidung. Das ist möglich. Die Gerichte nehmen ihre Anträge an, und sie werden auch bearbeitet. Insofern gibt es keinerlei Rechtsnachteile für die Väter, die schon heute eine gerichtliche Entscheidung wollen.
Sie haben in Ihrem Antrag weitere Punkte genannt, die teilweise nicht nachvollziehbar sind. So fordern Sie die Möglichkeit der alleinigen elterlichen Sorge im Konfliktfall. Bereits heute ist in § 1671 BGB geregelt, dass jeder Elternteil bei gemeinsamer elterliche Sorge im Falle des Getrenntlebens beantragen kann, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge allein überträgt.
Darüber hinaus fordern Sie, dass bei getrennt lebenden Eltern und der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter auch dem Vater die Möglichkeit gegeben sein muss, die Alleinsorge zu erhalten. Das ist natürlich zwangsläufig der Fall, wenn wir das Gesetz so, wie es von uns angedacht ist, auch ändern. Insofern sind diese Forderungen selbstverständlich.
Eine kostenlose Kinderbetreuung von Geburt an wäre in Deutschhand wünschenswert, wenn sie finanzierbar wäre. Wir müssten noch einmal darüber reden, inwieweit die Länder diesbezüglich belastet werden. Diese Forderung ist schwierig, und wir können sie an anderer Stelle diskutieren. Sie haben sie in Ihrem Antrag aufgeführt, und das hört sich alles gut an, aber es ist einfach nicht realisierbar.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht auch nicht im Antrag drin! - Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können sich zumindest Anregungen holen!)
Sie müssten auch darstellen, wie es bezahlt werden könnte.
Da wir uns bei unserem Gesetzesvorhaben ausdrücklich am Kindeswohl orientieren, möchte ich an dieser Stelle sagen, dass uns die Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern sehr wichtig ist. Die Kinder werden in eine Situation hineingeboren, für die sie nichts können. Es ist, wie es ist. Wir haben dokumentiert, dass es uns damit sehr ernst ist.
Als wir damals die Unterhaltsrechtsreform nach langen Beratungen auf den Weg gebracht haben, war uns das Kindeswohl ganz wichtig. Deshalb sind alle Kinder bei den Rangverhältnissen, also bei der Realisierung der Unterhaltsansprüche in Mangelfällen, im ersten Rang gleichgestellt. Auch hinsichtlich der Betreuung werden die nichtehelichen und ehelichen Mütter gleichgestellt. Denn wir haben das Kind im Fokus. Wir haben also dokumentiert, dass das ein sehr wichtiges Argument für uns ist.
Wir sagen auch: Der Vater hat ebenso wie die Mutter ein natürliches Elternrecht, und dem Vater muss niedrigschwellig die Möglichkeit eingeräumt werden, die Mitsorge zu erhalten, sofern dem nicht gravierende, schwerwiegende Gründe entgegenstehen. Deshalb sollte die gemeinsame elterliche Sorge auch der Regelfall sein. Da wir uns mit unserem Koalitionspartner zurzeit noch in der Abstimmung darüber befinden, mit welchem Verfahren dem Vater die Möglichkeit der Mitsorge einzuräumen ist, möchte ich zum materiellen Recht, das meines Erachtens viel wichtiger ist, doch noch einige kurze Ausführungen machen.
Die gemeinsame elterliche Sorge ist der Regelfall. Das ist die Prämisse. Der Vater erhält mit der Mutter das gemeinsame Sorgerecht, wenn dieses nicht ausnahmsweise dem Kindeswohl widerspricht. Insofern ist das Verfahren, wie der Vater an das Sorgerecht kommt, nachrangig. Es ist festzulegen, aber es ist nachrangig. Denn wir sagen, dass die gemeinsame elterliche Sorge der Regelfall ist.
Wenn die Mutter weiß, dass die gemeinsame elterliche Sorge der Regelfall ist, wird sie sich sehr wohl überlegen, ob sie den Gang zum Gericht erzwingt oder ob sie sich bei Anerkennung bzw. Feststellung der Vaterschaft und entsprechender Erklärung des Vaters von vornherein mit der gemeinsamen elterlichen Sorge einverstanden erklärt. Davon sollte man ausgehen. Wenn das nicht der Fall ist, müssen die Gerichte die erforderlichen Entscheidungen treffen.
In den Fällen, in denen die Mutter widerspricht, also nicht mit der gemeinsamen Sorge einverstanden ist, liegen Spannungen vor. Das eine oder andere Modell von Ihnen sieht Folgendes vor: Wenn die Mutter nicht reagiert, kommt es automatisch zur gemeinsamen Sorge. - Das wäre nicht der richtige Weg. Wenn die Mutter nicht reagiert bzw. wenn sie widerspricht, dann soll es ein niedrigschwelliges Verfahren bei Gericht geben. Damit soll dem Vater die Möglichkeit gegeben werden, recht schnell eine inhaltliche Prüfung vornehmen zu lassen.
Ich möchte Ihnen das Modell der Union, unser sogenanntes Optionsmodell, vorstellen. Wir wollen dem Vater, wie es schon heute aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts möglich ist, das Recht einräumen, sofort nach Geburt des Kindes bei Gericht einen Antrag auf gemeinsame elterliche Sorge zu stellen, wenn er von vornherein weiß, dass die Mutter einer Mitsorge nicht zustimmen wird. Der Vater soll dieses Recht schnell erhalten, weil gerade in der frühen Phase nach der Geburt wesentliche Entscheidungen für das Kind getroffen werden. Der Vater soll hier die Möglichkeit erhalten können, mitzureden. Begleitend soll die Möglichkeit eines Eilverfahrens eingeräumt werden, damit der Vater sehr schnell eine Entscheidung des Gerichts erhält, sofern dies bei Fragen des Namensrechts, der Taufe oder gar einer Operation des Kindes notwendig erscheint.
In anderen Fällen soll der Vater zunächst einmal einen Antrag beim Jugendamt stellen. Das Jugendamt wird den Antrag der Mutter zustellen. Es wird eine Karenzzeit eingeräumt, bevor die Mutter über den Wunsch des Vaters nach Mitsorge entscheiden soll. Wir prüfen noch, wie lang diese Karenzzeit sein soll. Danach soll die Möglichkeit gegeben werden, dass man miteinander spricht, um eine gerichtliche Auseinandersetzung möglichst zu vermeiden. Die Alternative könnte ein Mediationsverfahren sein, wohl wissend, dass diese Verfahren eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Es geht hier aber um den familiären Bereich; deswegen ist es uns wichtig, dass man das Gericht nur dann einschaltet, wenn kein anderer Weg bleibt.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Kollegin Granold, Frau Kollegin Dörner würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Ute Granold (CDU/CSU):
Ja.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bitte schön.
Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Kollegin, vielen Dank für die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen. - Sie haben, wie Sie gesagt haben, unseren Antrag sehr genau gelesen. Ist Ihnen dabei aufgefallen, dass wir mitnichten die Vorstellung haben, dass in jedem Einzelfall eine Prüfung durch das Jugendamt erfolgen soll, inwiefern das Kindeswohl beeinträchtigt sein könnte? Uns geht es darum, dass das Jugendamt im Verfahren Kenntnis davon gibt, wenn es Erkenntnisse über eine offensichtliche Kindeswohlgefährdung durch den Vater hat.
Ist Ihnen aufgefallen, dass wir zwar einen Rechtsanspruch auf ganztägige Kindertagesbetreuung einfordern, wir aber in unserem Antrag mitnichten fordern, dass diese kostenlos erfolgen soll?
Sie haben gerade gesagt, dass der Vater im Prinzip doch in jedem Einzelfall zum Familiengericht gehen muss. Inwiefern steht das im Einklang mit Ihrer vorherigen Aussage, dass Sie ein niedrigschwelliges Verfahren entwickeln wollen?
Zuruf von der CDU/CSU: Das eine schließt das andere nicht aus!)
Ute Granold (CDU/CSU):
Zu Ihrer Frage zum Verfahren. Das Optionsmodell sieht zwei Möglichkeiten vor:
Erstens. Der Vater kann nach der Geburt des Kindes direkt zum Gericht gehen und eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen, wenn er davon ausgeht, dass er eine Zustimmung der Mutter nie erhalten wird. So kommt es schnell zu einer gerichtlichen Entscheidung. Dabei sollte man jedoch auf Fristen achten: Wir sehen eine Karenzzeit vor, während sich die Mutter im Mutterschutz befindet. Auch Ihr Antrag sieht Fristen vor. Die FDP will das ebenfalls. Die Frage ist nur, wie lang diese Fristen sein sollen.
Zweitens. Der Vater kann einen Antrag beim Jugendamt stellen. Der Antrag des Vaters wird der Mutter zugestellt. Die Frage ist, in welcher Zeit die Mutter auf den Antrag reagieren muss. Die Frage ist auch, was passiert, wenn die Mutter schweigt. Schweigen bedeutet nach dem Modell der Union, dass der Vater eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen soll. Es wäre uns natürlich sehr recht, wenn in diesem Fall die Möglichkeit bestünde, mit der Mutter zu sprechen, um eine Lösung für eine gemeinsame Sorge zu finden - unter Mitteilung der Voraussetzungen dafür. Dann wäre eine gerichtliche Entscheidung nicht erforderlich.
Beide Wege sollen offenstehen. Damit wird dem Vater der Weg zur Mitsorge geebnet, entsprechend den Vorgaben der von mir genannten Gerichte, die beide einen niedrigschwelligen Zugang zur Mitsorge vorsehen.
Was die Kinderbetreuung angeht, so möchten wir natürlich gerne sicherstellen, dass die Kinder eine Betreuung haben - von der Krippe bis zum Hort -, die finanzierbar bzw. beitragsfrei gestellt ist. Aber das belastet die Kommunen und die Länder. Einen Rechtsanspruch ab der Geburt zu gewährleisten - wenn Sie das meinen -, ist derzeit nicht darstellbar; das wäre sehr schwierig. Aber darüber möchte ich nicht weiter philosophieren, weil es heute in Ihrem Antrag nicht darum, sondern um die gemeinsame Sorge geht, die, wie auch Sie sagen, zügig, aber ordentlich auf den Weg gebracht werden sollte. - Ich hoffe, ich habe Ihre Fragen damit beantwortet.
Zusammenfassend kann ich sagen - ich war ja schon nahezu am Ende meiner Rede -: Unser Anliegen ist, eine niedrigschwellige Möglichkeit zu schaffen und in das Gesetz aufzunehmen, sodass die Väter, die sich um die Sorge für ihre Kinder bemühen, und zwar um die volle Verantwortung im Rahmen der elterlichen Mitsorge, sehr schnell und niedrigschwellig die Mitsorge bekommen können, entweder außergerichtlich, was uns das Liebste wäre, oder gerichtlich. Es kann nicht sein, dass ein Vater bei Gericht sehr viel vortragen muss, um zu dokumentieren, dass es richtig ist, ihm die Möglichkeit zu geben, die Sorge zu begleiten. Wir gehen davon aus: Der Regelfall ist, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl entspricht. Alles andere müsste dezidiert vorgetragen werden.
Ich möchte nicht - das ganz zum Schluss -, dass den Jugendämtern die Möglichkeit eingeräumt wird, bei Gericht eine Gefährdung des Kindeswohls vorzutragen, weil eine negative Stellungnahme eines Jugendamtes - da spreche ich aus 30 Jahren Erfahrung als Scheidungsanwältin - bei Gericht nur sehr schwer auszuräumen ist. Ich meine, eine so wichtige Entscheidung sollte, wenn die Eltern kein Einvernehmen erzielen, das Gericht vorurteilsfrei treffen können. Eine starke Stellung der Jugendämter sehen wir nicht als den richtigen Weg an.
Ich bedanke mich bereits jetzt dafür, dass wir in der Lage sind, über dieses Thema sehr sachlich zu sprechen und einen Weg zu finden. Wir gehen davon aus, dass wir auch die gesetzliche Regelung in Kürze auf den Weg bringen können. Nochmals: Rechtsnachteile gibt es für keinen Vater, weil seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im letzten Jahr jeder Vater die Möglichkeit hat - davon wird auch Gebrauch gemacht -, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, um zu seinem Recht zu kommen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Christine Lambrecht von der SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Christine Lambrecht (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine sehr schwierige Materie, die wir da neu zu regeln haben; das ist mir heute bei diesen ersten Debattenbeiträgen wieder aufgefallen. An die oberste Stelle müssen wir setzen, dass die Neuregelung, die wir treffen, für die Betroffenen - nicht für uns Fachleute, sondern für die Betroffenen - verständlich und transparent ist, sodass sie wissen, was auf sie zukommt, und dann auch zügig umgesetzt werden kann. Ich glaube, wir alle sollten uns für die anstehenden Beratungen vornehmen, eine Regelung zu treffen, die gewährleistet, dass sich diejenigen, die in dieser Situation sind, nicht erst kundig machen müssen - beim Jugendamt, beim Amtsgericht hier, beim Familiengericht da -, sondern das Prozedere auch von einem Laien, der betroffen ist - von einem Vater, von einer Mutter -, nachvollzogen werden kann.
Es ist ausgeführt worden: Sowohl vom Europäischen Gerichtshof als auch vom Bundesverfassungsgericht sind wir aufgefordert worden, hier eine Neuregelung zu treffen. Hintergrund ist natürlich, dass es gesellschaftliche Veränderungen gegeben hat, dass die Zeit nicht mehr so ist, wie sie vor 1998 oder bei der Kindschaftsrechtsreform 1998 war. Die Welt hat sich verändert, und damit sind auch gesellschaftliche Veränderungen einhergegangen.
Beziehungen sind heute ganz anders aufgestellt als vor 20, 30 Jahren. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit von Veränderungen. Wir haben uns an dieser Stelle mit der Neuregelung der elterlichen Sorge zu beschäftigen. Vom Bundesverfassungsgericht ist für die Zeit, bis eine Neuregelung in Kraft getreten ist, die Möglichkeit der sogenannten Antragslösung eröffnet worden. Das heißt, Väter, denen bisher das gemeinsame Sorgerecht verweigert wurde, haben jetzt die Möglichkeit, entgegen der früheren Rechtslage wenigstens dafür zu kämpfen, dass auch ihnen die elterliche Sorge übertragen wird. Wir haben uns jetzt zu fragen: Wie können wir diese Aufgabe lösen?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Wir könnten die Regelung treffen, dass für alle Paare, die nicht miteinander verheiratet sind und ein gemeinsames Kind haben, egal in welcher Konstellation sie sich befinden, generell die gemeinsame elterliche Sorge gilt. Das könnte man machen. Ich persönlich muss aber sagen: Ich glaube, das würde einige Probleme aufwerfen, weil dann nicht immer gewährleistet wäre, dass das tatsächlich zum Wohle des Kindes ist. Das Wohl des Kindes muss aber die Voraussetzung sein. Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, dass Eltern quasi zwangsweise ein gemeinsames Sorgerecht ausüben, wenn sie keinen Kontakt mehr miteinander haben, vielleicht auch nicht mehr miteinander haben wollen.
(Beifall der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE])
Ich finde, "gemeinsam" bedeutet auch, dass man sich verständigen kann. Wie gesagt, das sind alles so Facetten, die wir zu beleuchten haben.
Was die Antragslösung angeht, so muss man, glaube ich, noch einmal differenzieren. All die Paare, die ein gemeinsames Kind haben und sich verstehen, haben unabhängig davon, ob sie zusammenleben oder nicht, schon jetzt die Möglichkeit, ohne Jugendamt, ohne Familiengericht, ohne die Zustimmung von irgendwem zu entscheiden, wie sie das ausgestalten möchten. Sie haben nach der Vaterschaftsanerkennung die Möglichkeit, zu sagen: "Jawohl, wir wollen ein gemeinsames Sorgerecht", und erklären dieses nur. Da muss niemand mehr entscheiden. Es liegt in ihren Händen.
Wir sollten in diesem Gesetzgebungsverfahren auf jeden Fall dafür sorgen, dass dieser Weg viel häufiger beschritten wird, dass die Menschen diese Verantwortung auch annehmen. Wenn ein Kind geboren wird, dann sollen sie sich bitte schön auch Gedanken darüber machen, wie dieses Sorgerecht ausgestaltet werden soll, wer das wirklich übernehmen soll. Da müssen ja zahlreiche Fragen beantwortet werden, teilweise auch ganz schnell, etwa wenn Operationen anstehen. Es gibt aber auch andere Fragen, die sehr schwierig sind, etwa Religionszugehörigkeit, medikamentöse Behandlung usw. Eltern sollen sich durchaus bewusst sein, was das Sorgerecht bedeutet. Deswegen wäre ich auf jeden Fall dafür, dass Eltern verpflichtet werden, eine Erklärung abzugeben. Wie diese aussieht, ist ihre Sache. Aber sie sollten wenigstens sagen, ob sie sich einig sind oder nicht. Zuvor müssen sie sich wenigstens einmal Gedanken darüber machen.
Ich erhalte sehr viele Schreiben zu dieser Fragestellung. Die einen wollen es so geregelt haben, die anderen so. Wenn ich mich mit manchen unterhalte und sie frage, warum sie das eigentlich nicht geregelt haben, als sie sich noch verstanden haben, dann sagen sie mir: Darüber haben wir uns gar keine Gedanken gemacht. - Ich sage: Das darf nicht weiter so sein. Paare sollen sich, wenn sie ein Kind bekommen, wenn sie Eltern werden, mit dieser Fragestellung auseinandersetzen und entscheiden. Wenn sie sich dann nicht einigen können, dann muss ein Verfahren zur Verfügung stehen, in dem das Ganze dann geregelt wird. Aber Paare sollten sich bitte schön häufiger selbst einigen und Eigenverantwortung übernehmen und nicht darauf warten, dass jemand vom Jugendamt oder vom Familiengericht diese Frage regelt.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE])
Zwischen diesen beiden Polen, der Antragslösung auf der einen und der elterlichen Sorge als Regel auf der anderen Seite, wird es sicherlich in irgendeiner Weise eine Ausgestaltung geben. Ich möchte nicht verhehlen, dass es bei uns in der SPD-Fraktion unterschiedliche Positionen dazu gibt. Da gibt es die Rechtspolitiker, die sagen, sie könnten mit einer Antragslösung sehr gut leben. Das heißt, der Vater hat die Möglichkeit, einen Antrag auf gemeinsame Sorge zu stellen, wenn die Mutter dem zuvor nicht zugestimmt hat. Dann hat auf der ersten Stufe das Jugendamt zu entscheiden, und dann kann es weiter zum Amtsgericht gehen.
Es gibt bei uns aber auch andere Vorstellungen, nach denen ein gemeinsames Sorgerecht beispielsweise an die Voraussetzung des Zusammenlebens geknüpft werden soll. Das ist eine Position, die man sicher einmal zu prüfen hat. Sie bringt meiner Einschätzung nach auch rechtliche Probleme mit sich; denn wann ein Zusammenleben vorliegt, ist sicherlich nicht so einfach zu definieren. Fallen auch Wochenendbeziehungen darunter? Ist das tatsächlich ein rechtlich bestimmter Begriff?
Sie sehen, es gibt eine Bandbreite. Deswegen sollten wir uns jetzt endlich dringend und schnell auf den Weg machen. Das Bundesverfassungsgericht hat uns hier quasi eine Notlösung vorgegeben. Ich glaube, es kann nicht sein, dass wir in dieser Situation einfach so weitermachen, weil wir es als Gesetzgeber nicht hinbekommen, eigenständig eine Lösung zu schaffen. Ich bin auch sehr optimistisch, dass wir eine Lösung finden werden; denn wir haben im Familienrecht bisher sehr konstruktiv und ohne parteipolitische Scheuklappen zusammengearbeitet. Das wird sicherlich auch in diesem Fall wieder gelingen.
Ich darf jedoch insbesondere Sie von der Regierungskoalition und auch Sie aus dem BMJ, Herr Stadler, auffordern, da bitte nicht länger zu zögern. Ich habe das in Haushaltsreden schon mehrfach angesprochen. Immer wieder kam: Wir sind dran. Wir machen etwas in Kürze, in Bälde, demnächst. - Jetzt wäre es, glaube ich, so langsam mal an der Zeit, dieses Problem tatsächlich konstruktiv anzugehen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE])
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Stephan Thomae von der FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Stephan Thomae (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jedes Kind hat Anspruch auf beide Elternteile. Beide sind verantwortlich für das Kind, sind dem Kind und seinem Wohl verpflichtet. Umgekehrt ist die Sorge für das Kind ein originäres Elternrecht. Eltern haben das Recht, für ihre Kinder zu sorgen, die Sorge innezuhaben, ohne sich bewähren zu müssen, ohne darum kämpfen zu müssen - mit einer gravierenden Einschränkung im Bürgerlichen Gesetzbuch: Dann, wenn der Vater mit der Mutter nicht verheiratet ist, kann der Vater die gemeinschaftliche Sorge nur dann erhalten, wenn er entweder die Mutter heiratet oder aber die Mutter der gemeinschaftlichen Sorge zustimmt.
Der Vater braucht also mindestens einmal ein Jawort der Mutter: entweder vor dem Traualtar oder beim Jugendamt. Das ist ein nicht einklagbarer Anspruch. Dieses Jawort kann man nach dem BGB nicht vor Gericht einklagen. Hier hat das Verfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 21. Juli nun eine kleine Änderung vorgenommen, zwar nicht mit Blick auf den Traualtar,
(Christine Lambrecht [SPD]: Das wäre ja eine Zwangsheirat!)
aber es muss die Möglichkeit bestehen, einen Antrag auf Einräumen der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge zu stellen. Damit gibt es angesichts der momentanen Lage zwei Probleme.
Das erste Problem ist: Wenn die Mutter nicht zustimmt, herrscht immer gleich Eskalationsstufe rot. Man muss immer zum Gericht gehen, wenn die Mutter ihr Jawort zur gemeinsamen Sorge nicht gibt. Das Gericht muss nun ermitteln, was dem Kindeswohl dient. Das ist oft eine schwierige Frage. In vielen Fällen wird es notwendig sein, ein Gutachten eines Kinder- oder Jugendpsychologen einzuholen. Häufig wird es auch zu eigentlich unnötigen Prozessen kommen. Denn was soll ein Richter sagen, wenn kurz nach der Geburt noch gar nichts passiert bzw. eingetreten ist, woran er ermessen kann, ob das Kindeswohl gefährdet ist? Es wird also ganz oft zu unnötigen Verfahren kommen.
Das zweite Problem ist, dass der Vater taktisch eigentlich gut beraten ist, möglichst schnell den Antrag bei Gericht zu stellen; denn je früher er den Antrag stellt, desto weniger wird sich zugetragen haben, woraus der Richter dann ableiten kann, dass es besser wäre, der Mutter das Sorgerecht allein zu belassen.
(Christine Lambrecht [SPD]: Es geht doch um die Kinder!)
Das heißt, es gibt keine Schonfrist für die Mutter. Das ist das Problem bei der momentanen Situation.
Dieses Problem greifen die Grünen in ihrem Antrag auf. Deshalb bringe ich diesem Vorschlag auch durchaus Sympathie entgegen. Hier wird nämlich gesagt, dass man der Mutter eine Bedenkzeit einräumen müsse. Wenn der Vater eine Sorgeerklärung abgibt, erhält die Mutter zunächst einmal eine Bedenkzeit; sie muss in sich gehen und überlegen können, ob sie das Sorgerecht teilen will. Bei diesem Vorschlag gibt es aber auch einige Probleme, die ich hier nennen möchte.
Ein Problem ist, wie der Vorschlag zu verstehen ist, dass während des gesetzlichen Mutterschutzes der Lauf der Achtwochenfrist gehemmt ist. Diese Frist ist dann gehemmt, wenn die Mutter - so heißt es in Ihrem Antrag - "eine entsprechende Mitteilung macht". Mir ist nicht ganz klar, wie das zu verstehen ist. Könnte das nicht dazu führen, dass diese Schutzregelung gerade dann versagt, wenn der Schutz am notwendigsten wäre? Eine Geburt, bei der es zu Komplikationen kommt, oder auch eine Mehrlingsgeburt sind ja zum Beispiel Fälle, bei denen die Mutter besonders viele Sorgen hat, sodass sie es vielleicht vergisst oder unterlässt, die entsprechende Mitteilung zu machen. In diesem Fall wäre der Lauf der Frist aber nicht gehemmt. Es wäre also zu überlegen, ob der besondere Schutz, der durch die Möglichkeit gewährleistet werden soll, den Lauf der Frist zu hemmen, nicht gerade dann zu versagen droht, wenn er besonders notwendig wäre. Über diesen Vorschlag im Antrag der Grünen müsste man also noch einmal nachdenken.
Der zweite Punkt, der mir auffällt, wurde schon angesprochen: Es geht um die Rolle, die Sie in Ihrem Antrag dem Jugendamt zuweisen. In Ihrem Antrag heißt es, dass das Jugendamt dem Antrag des Vaters dann stattgibt, wenn die Mutter innerhalb der Achtwochenfrist keinen Widerspruch einlegt und - jetzt kommt es - "dem Jugendamt keine Erkenntnisse über eine offensichtliche Kindeswohlgefährdung durch den Vater vorliegen". In meinen Augen ist es ein Problem, dem Jugendamt eine solche Entscheidungsmacht zu geben. Denn wann ist das Kindeswohl gefährdet? Wann ist es offensichtlich gefährdet? Wie soll das Jugendamt diese Erkenntnisse erhalten? Es ist eigentlich nicht die Aufgabe einer Behörde, sich solche Erkenntnisse zu verschaffen. Sie hat auch kaum die Möglichkeiten, darüber zu verhandeln bzw. Parteien oder Sachverständige anzuhören. Das ist eine originäre Aufgabe der Gerichte. Diesen müsste diese Aufgabe eigentlich zugewiesen werden.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Es ist nämlich Aufgabe der Gerichte und nicht der Behörden, zum Beispiel der Jugendämter, Tatsachen zu ermitteln und Rechtsfragen zu beantworten.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber reden wir auch noch einmal!)
Der dritte Punkt ist eine mir völlig unverständliche Regelung; auch über diesen Punkt in Ihrem Antrag müssen wir noch einmal reden. Wenn die Mutter die gemeinschaftliche Sorge beantragt, dann - so besagt es Ihr Antrag - kann das Jugendamt dem nur entsprechen, wenn der Vater innerhalb von acht Wochen zustimmt. Das verstehe ich überhaupt nicht. Was ist, wenn der Vater nun länger braucht, um seine Zustimmung zu erklären, zum Beispiel neun oder zwölf Wochen? Wenn er die Zustimmung erst nach Ablauf der Achtwochenfrist erteilt, liegt ja eine gemeinschaftliche Sorgerechtserklärung vor: Die Mutter will, der Vater will. Braucht der Vater also länger als acht Wochen, um Ja zu sagen, dann hat er ja trotzdem, auch wenn er länger, als von Ihnen vorgesehen, gezögert hat, Ja gesagt, und es liegt eine gemeinschaftliche Sorgerechtserklärung vor. Warum dann das Jugendamt dazu noch etwas zu sagen hat und gar das gemeinsame Sorgerecht versagen kann, verstehe ich nicht.
Das sind die Punkte, die ich an Ihrem Antrag bemängele. Deswegen kann ich ihm nicht zustimmen, auch wenn ich ihm sonst vieles abgewinnen kann und er mir in vielen Punkten sehr sympathisch ist. Wir werden trotzdem den Antrag aufmerksam studieren, weil er viele wertvolle Ansätze enthält. Ich denke, dass wir deutlich gemacht haben, weshalb wir diesem Antrag in der jetzigen Form nicht zustimmen können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat das Wort der Kollege Jörn Wunderlich von der Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Jörn Wunderlich (DIE LINKE):
Danke schön. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sorgerecht und Sorgepflicht - das ist ein hochemotionales Thema, wenn sich die Eltern getrennt haben. Ich denke, alle, die mit der Thematik befasst waren, haben Schreiben von Vätern, Müttern, Verbänden, Interessengemeinschaften, AGs und sonstigen Betroffenen in Deutschland bekommen. Die einen wollen es so, die anderen wollen es so. In der heutigen Debatte wurde dazu schon viel gesagt.
Denjenigen, die sich mit dem Sorgerecht nicht so gut auskennen, möchte ich einen kleinen Einblick geben, wie es sich überhaupt entwickelt hat, um ein Verständnis dafür zu bekommen, wieso in Bezug auf das Sorgerecht für gemeinsame Kinder ein Unterschied zwischen Eheleuten und Nichteheleuten besteht.
Ich gehe weit in die Geschichte zurück. Ich muss alles in vier Minuten pressen, aber ich versuche es. Nehmen Sie das BGB vom 1. Januar 1900; ich spreche von Eheleuten. Der Vater war der Patriarch der Familie, er allein hatte Erziehungsrecht, und er war der gesetzliche Vertreter. Die Mutter hatte nichts zu melden. Sie war für persönliche Zuwendung und Versorgung zuständig. Das hat sich - das muss man sich vorstellen - durch die Kaiserzeit, die Weimarer Republik, Nazideutschland bis in die Bonner Republik gehalten.
Erst 1953 setzte ein Wandel ein. Die Mutter bekam ein Miterziehungsrecht, aber der Vater war nach wie vor gesetzlicher Vertreter und hatte das Letztentscheidungsrecht. Erst 1979, mit Einführung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge, wurde die Mutter bei der Erziehung gleichberechtigt.
Betrachten wir parallel dazu das Scheidungsrecht. Bis 1977 galt das Schuldprinzip. Das heißt, wenn Eltern sich scheiden ließen und Kinder vorhanden waren, bekam der nichtschuldige Teil das Sorgerecht für die Kinder. Das wurde dann geändert. Es galt nicht mehr das Schuldprinzip, sondern das Zerrüttungsprinzip, aber im Falle einer Scheidung wurde im Regelfall nach wie vor nur einem Elternteil das Sorgerecht zugesprochen. 1982 hat das Bundesverfassungsgericht erklärt, dass dies gegen das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 GG verstößt. Beiden Eltern steht nach wie vor die elterliche Sorge zu. Das wurde letztlich erst 1998, 16 Jahre später, mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz umgesetzt. In den Köpfen der Menschen hat sich seither festgesetzt: Wenn Eltern sich scheiden lassen, tragen beide weiterhin die gemeinsame Sorge für die Kinder. Das hat sich inzwischen manifestiert.
Bei ledigen Müttern und ledigen Vätern war es ganz anders. Ich gehe noch einmal zurück. 1. Januar 1900: Der Vater war noch nicht einmal mit dem Kind verwandt. Hintergrund des Ganzen war das gesellschaftliche Bild. Der Sohn aus gutem Hause hatte etwas mit dem Kindermädchen oder dem Hausmädchen. Das uneheliche Kind, wie es damals hieß - der Makel der Unehelichkeit -, sollte nicht in die Familie des gutbetuchten Vaters eindringen. Deswegen waren diese Personen per Gesetz noch nicht einmal verwandt. Auch diese Sichtweise hat sich über die verschiedenen Staatsformen bis in die Bonner Republik gehalten. Erst 1970 ist das geändert worden. Hinsichtlich der Verwandtschaft sind wir gerade dabei, die letzten Hemmnisse zu beseitigen.
Aber inzwischen hat sich die Gesellschaft gewandelt; es ist schon angesprochen worden. Jedes vierte Kind im Westen und zwei von drei Kindern in den neuen Bundesländern werden nichtehelich geboren. Nichtehelich ist heute völlig normal in unserer Gesellschaft. Aber die rechtlichen Bestimmungen zum Umgangs- und Sorgerecht wurden dieser Entwicklung nicht angepasst. Da wird unterschieden: Trennen sich Eheleute, behalten beide das Sorgerecht. Trennen sich Nichteheleute, tauchen die hier beschriebenen Probleme auf. Wenn es keine Sorgerechtserklärung gibt, hängt es gegenwärtig vom Goodwill der Mutter ab, ob auch der Vater das Sorgerecht bekommt. Wenn die Mutter nicht zustimmt, kann der Vater nichts machen.
Das hat das Bundesverfassungsgericht kritisiert und eine Übergangsregelung geschaffen. Wir müssen nun sehen, wie wir die Rechtslage ändern. Erstens gibt es den Weg der Antragslösung; das würde bedeuten, die Regelung ist wie bisher, nur mit einer gerichtlichen Überprüfung, wie es auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Übergangslösung vorschreibt. Zweitens gibt es die Möglichkeit der Widerspruchslösung; das heißt, die Mutter widerspricht der Erklärung des Vaters, das Sorgerecht gemeinsam mit der Mutter ausüben zu wollen, und dagegen kann dieser ein gerichtliches Verfahren anstrengen. Drittens gibt es die Möglichkeit der - ich nenne sie einmal so - großen Lösung; danach hätte der Vater von Geburt an durch eine Vaterschaftserklärung gemeinsam mit der Mutter das Sorgerecht; in den anderen Fällen verbliebe das Sorgerecht bei der Mutter, mit der Möglichkeit der Überprüfung in Zweifelsfällen, ob das für das Kindeswohl tatsächlich gut ist, analog § 1671 BGB.
Die Positionierung meiner Fraktion in dieser Frage ist ähnlich wie die der SPD noch nicht abgeschlossen. Im Februar werden wir einen Antrag dazu vorlegen. Ich gehe davon aus, dass neben diesem Antrag und dem dann hoffentlich ebenfalls vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung noch weitere Anträge eingehen und wir dann im Ausschuss und in den Berichterstattergesprächen die beste, schönste und praktikabelste Lösung im Sinne unserer Kinder finden werden.
Danke schön und schönes Wochenende.
(Beifall bei der LINKEN - Stephan Thomae [FDP]: Gleichfalls!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/3219 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 9. Februar 2011, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluss: 14.36 Uhr)
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